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Tatsachen - Ausstellung zur NS-Geschichte im Stadtmuseum
Tatsachen - Ausstellung zur NS-Geschichte im Stadtmuseum, © Stadt Dornbirn
Tatsachen - Ausstellung zur NS-Geschichte im Stadtmuseum
Tatsachen - Ausstellung zur NS-Geschichte im Stadtmuseum, © Stadt Dornbirn

Stadtmuseum | Sonderausstellung

Tatsachen. Das materielle Erbe des Nationalsozialismus

Tatsachen. Das materielle Erbe des Nationalsozialismus

„Am 85. Jahrestag der Novemberpogrome 1938 eröffnet das Stadtmuseum Dornbirn die Ausstellung „Tatsachen“, die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck entstand,“ berichtet Bürgermeisterin Dipl.-Vw. Andrea Kaufmann.

Mehr als 85 Jahre nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland und bald acht Jahrzehnte nach dem Ende des NS-Regimes stellt sich weiterhin die Frage, wie wir mit den Hinterlassenschaften dieser Zeit angemessen umgehen sollen. „Mit der neuen Sonderausstellung im Stadtmuseum will die Stadt die Diskussion über diesen Teil unserer Geschichte anstoßen,“ ergänzt Kulturstadtrat Dr. Alexander Juen. Die „Tatsachen“, das sind die Hinterlassenschaften aus dieser Zeit, finden sich auch im Stadtbild und in Sammlungen, aber viel häufiger noch in privatem Besitz – in Kellern, auf Dachböden und in Schränken.

Die Frage nach dem Umgang betrifft nicht nur öffentliche Einrichtungen wie das Stadtmuseum, sondern auch zahlreiche Privatpersonen und Familien. Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg und Holocaust sind für viele Menschen in Österreich Teil ihrer Familiengeschichte. Doch während das formelle Wissen um die NS-Zeit stetig wächst, verblasst die innerfamiliäre Überlieferung zunehmend. Im Sommer 2022 richtete das Stadtmuseum mit dem Büro für schweres Erbe eine Anlaufstelle für alle ein, die Objekte aus der NS-Zeit abgeben wollen oder offene Fragen zu ihrer Familiengeschichte haben. Diese Ausstellung basiert auf den Objekten und Geschichten, die wir in diesem Rahmen dokumentiert haben.

Generalthema „Erbe & Erben“

Das Stadtmuseum befindet sich in einer Phase der Neukonzeption. Das Generalthema „Erbe & Erben“ führt mit speziellen Sammelausstellungen zu einer neuen Dauerausstellung. Ausgangspunkt für die Ausstellung „Tatsachen“ war die Feststellung, dass der Nationalsozialismus sowohl in der aktuellen Dauerausstellung als auch in der Sammlung des Stadtmuseums nur unzureichend dokumentiert und repräsentiert ist.

Das materielle Erbe des Nationalsozialismus

Diesem Manko begegnete das Museum mit der Anlauf- und Sammelstelle für die Bevölkerung. Im Sommer 2022 wurden die ersten Sammelaufrufe gestartet. Rund 50 Personen folgten dem Sammelaufruf oder hatten Fragen zur Rolle von Familienangehörigen im Nationalsozialismus. Immer wieder wollen Menschen „Erbstücke“ aus der NS-Zeit loswerden. Gleichzeitig wollen sie sicherstellen, dass diese nicht in die Hände von Sammlern gelangen, verkauft und gehandelt werden. Wo ziehen wir die Grenze zwischen NS-Devotionalien und vielschichtigen Erinnerungsobjekten? Was gehört im Museum bewahrt und was nicht? Handelt es sich um bedeutsame Zeitdokumente oder lediglich um NS-Kitsch?

In solchen Fällen wendet man sich an Museen. Zu den Kernaufgaben eines Museums gehören das Sammeln, Bewahren, Erforschen und Ausstellen des materiellen Erbes. Doch was genau wirklich bewahrt und ausgestellt werden soll, ist eine komplexe Frage, der sich das Stadtmuseum im Kontext der Dornbirner Lokalgeschichte des Nationalsozialismus stellt. Der angemessene Umgang mit solchen Objekten betrifft die gesamte Gesellschaft, nicht nur öffentliche Einrichtungen wie Museen, sondern auch zahlreiche Privatpersonen und Familien.

Es ist zudem eine Möglichkeit, den Prozess des Sammelns und Dokumentierens von Museumsobjekten transparent zu machen. Gemeinsam mit der Stadtbevölkerung erforscht und dokumentiert das Stadtmuseum Dornbirn den Entstehungs- und Verwendungszusammenhang dieser Gegenstände und hält die damit verbundenen Erinnerungen und Geschichten fest. Dies ermöglicht ein besseres Verständnis der Vergangenheit. Gleichzeitig wird Raum für Reflexion und Erinnerung geschaffen.

Beteiligung und zurückhaltende Präsentation

Die Sonderausstellung „Tatsachen. Das materielle Erbe des Nationalsozialismus“ ist das Ergebnis dieses Sammlungs- und Dokumentationsprozesses, einer direkten Zusammenarbeit zwischen dem Stadtmuseum und der Bevölkerung. Die Objekte und Geschichten, die aufbereitet wurden, stammen von Bürger:innen mit Dornbirn-Bezug. Sie sind Nachkommen, Flohmarktgänger:innen und zufällige Finder:innen. Die Ausstellung ist ein Ausdruck des intergenerationellen Umgangs mit dem Nationalsozialismus in Familien.

Besonderes Augenmerk ist aber auch auf die Art der Präsentation der Exponate zu legen. Es sind keine täglich geputzten Vitrinen und keine beleuchteten Präsentationssockel. Stattdessen sind die Objekte in milchigen, halbdurchsichtigen Euroboxen platziert. Ausgewählte Schlüsselobjekte sind zu erkennen, der Inhalt anderer Boxen ist nur schemenhaft sichtbar. Erst eine Datenbank, die über einen QR-Code zugänglich ist, gewährt Einblick. Eine Ästhetisierung der Objekte findet nicht statt. Warum die Objekte ihren Weg ins Museum gefunden haben, wird in kurzen begleitenden Audio-Einspielungen und in längeren lebensgeschichtlichen Filminterviews erläutert.

Vermittlungsangebot

Im Rahmen der Sonderausstellung wurde auch ein umfangreiches Vermittlungsangebot ausgearbeitet. Neben öffentlichen Führungen und einer Filmreihe in Kooperation mit dem Jüdischen Museum Hohenems und dem Spielboden werden auch Vorträge und Workshops angeboten. Vorträge von Peter Pirker zum Thema „Wehrmachtsdeserteure in Vorarlberg“ oder Florian Guggenberger zur Vorarlberger Widerstandsgruppe „Aktionistische Kampforganisation“ setzen sich mit Widerstand und Opfern des Nationalsozialismus auseinander. Geführte Stadtrundgänge für Jugendliche und Erwachsene beschäftigen sich mit der Bedeutung des „Gedenksteins für die Opfer des Nationalsozialismus“, der sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn an den Rand gerückt wurde.

Eröffnung der Sonderausstellung im Stadtmuseum

Donnerstag, 9. November, 18:00 Uhr
Rathaus Dornbirn, Großer Rathaussaal
Anmeldung: E stadtmuseum​(at)​dornbirn.at, T+43 5572 306 4911

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